Mein Rückblick beginnt mit meiner Abreise in Deutschland.

Ich kann mich noch genau an die letzte Umarmung meiner Mutter erinnern, an die Nervosität und daran wie ich in den Flieger stieg und einen Schritt in mein neues Leben machte. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich völlig übermüdet in Nanaimo ankam und meine Gastfamilie das erste Mal gesehen hab, die Familie in der ich die nächsten fünf Monate verbringen würde. Und jetzt sitze ich hier in meinem Zimmer, keine Woche bevor ich fliege und mit schon halb gepackten Koffern voller einzigartiger Erinnerungen und Erfahrungen, die mir niemand mehr nehmen kann. Es fühlt sich so an, als wäre ich gerade eben erst gelandet, aber gleichzeitig, als ob ich hier schon immer leben würde. Die fünf Monate vergingen wie im Flug und würde mich jemand fragen, ob ich nochmal ins Ausland gehen würde, ich würde es sofort wieder tun.

Die ersten paar Tage in Kanada waren sehr surreal. Ich konnte es kaum fassen: Ich hatte es bis nach Kanada geschafft und war auf einmal auf der anderen Seite der Welt. Zu Beginn war es noch sehr komisch, in einem fremden Haus zu leben, in einem fremden Bett aufzuwachen und sich das Bad mit fremden Personen zu teilen. Doch schnell wurden diese fremden Personen zur Familie. Meine Gastfamilie besteht aus meiner Gastmutter, meinem Gastvater, meiner kanadischen Gastschwester (13) und meiner französischen Gastschwester (15).

Die Schule

Meine Gastschwestern und ich gehen auf die „Ladysmith Secondary School“, die etwa 20 min mit dem Schulbus von uns entfernt ist. Schule in Kanada ist ganz anders als die deutsche Schule. Es gibt eine viel größere und vielfältigere Fächerauswahl, allerdings hat man jeden Tag die vier gleichen Kurse, die etwa eine Stunde lang sind. So besteht mein Stundenplan aus Drama, Outdoor Education, Art und Creative Writing. In Drama habe ich mit ein paar Freund*innen einen eigenen Kurzfilm gedreht, Kameraperspektiven und Theaterstücke analysiert und Bühnen- und Schnitttechnik erlernt. Ich war Angeln und Wandern mit meinem Outdoor Ed-Kurs. Außerdem haben wir einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert und gelernt, Feuer zu machen, Zelte zu bauen und den Kompass richtig zu benutzen. Art ähnelt sehr dem deutschen Kunstunterricht, aber da man mehr und länger Zeit hat, fanden auch größere Projektarbeiten statt. Creative Writing ist ein Mix aus dem traditionellen Englischunterricht und kreativen Aufgabe. So haben wir z.B. Szenenanalysen und Charakterisierungen verfasst und auch eigene Gedichte geschrieben. Aber nicht nur die Fächer unterscheiden sich von der deutschen Schule, sondern auch die Lehrer.

Alle Menschen sind viel entspannter und das Lehrer-Schüler-Verhältnis ist viel persönlicher und enger, was ich sehr schön finde. Außerdem scheint es ganz normal zu sein, dass Schüler*innen oft 10, wenn nicht sogar 20 Minuten zu spät zum Unterricht erscheinen.

Rückblick: in Kanada konnte ich viele Freundschaften schließenFreundschaften und Freizeit

Während Lunch Break und nach der Schule hab ich viel mit anderen Austauschschüler*innen gemacht. Ich hab zwar auch ein paar kanadische Freund*innen gefunden, allerdings war dies viel schwieriger und die meisten hatten nach der Schule keine Zeit, weil sie arbeiten mussten. In Kanada ist es ganz normal, schon mit 15 oder manchmal noch jünger zu arbeiten. Im September und Anfang Oktober hab ich mir nach der Schule oft was beim Bäcker oder Tim Hortons geholt und bin dann mit meinen Freund*innen runter zum Strand gelaufen. Dort haben wir Beachvolleyball gespielt oder einfach nur zusammen gesessen und geredet. Als das Wetter dann schlechter wurde, haben wir sehr viel Zeit im Tim Hortons verbracht, den die meisten Kanadier*innen nur „Timmies“ nennen.

Die Weihnachtszeit

Am Halloweenwochenende war ich dann auf einer Kostümparty eingeladen und sobald der Oktober endete, wurde die Weihnachtsdeko ausgepackt. Ganz Ladysmith wurde geschmückt und auch bei meiner Gastfamilie stand der Weihnachtsbaum schon Mitte November. Wir haben jeden Morgen Christmas Songs gehört und als dann Anfang Dezember der erste Schnee fiel, war die Weihnachtsstimmung einfach perfekt. Die ganze Schule wurde dekoriert und die letzte Woche vor den Weihnachtsferien war Spirit Week. Jeden Tag gab es ein anderes Thema und zu meiner Verblüffung haben überraschend viele Schüler*innen daran teilgenommen. So kamen z.B. montags alle Schüler*innen im Schlafanzug und es wurde heiße Schokolade im Foyer angeboten.

Leider habe ich einen Großteil der Spirit Week verpasst, weil ich mit meiner Gastfamilie über meinen Geburtstag Skifahren war. Wir sind donnerstagmorgens ganz früh aufgestanden und haben uns auf den Weg zur Insel eigenen Berg Mount Washington gemacht. Ich habe die drei Skitage größtenteils mit meiner französischen Gastschwester verbracht. Wir beide hatten sehr viel Spaß auf der Piste und sind auch gemeinsam Night Skiing gewesen. Es war sehr schade, dass wir nur so kurz Skifahren waren, aber wir planten, bald wieder zurückzukommen. Daraus wurde aber nichts, weil Corona und der Schnee uns einen Strich durch die Rechnung machten.

Eingeschneit und mit steigenden Covid Infektionen habe ich die Winter Break inklusive Weihnachten und Silvester in unserem Haus verbracht. Der 24.12 war unfassbar unspektakulär, denn in Kanada wird, wie in den USA, erst am 25.12. gefeiert. Um acht Uhr morgens wurde ich von meinen Gastschwestern geweckt und die ganze Familie hat nun reihum die Geschenke geöffnet. Ich hatte nicht erwartet, so viele Geschenke von meiner Gastfamilie zu bekommen, ehrlich gesagt hatte ich überhaupt nichts erwartet. Den restlichen Tag haben wir dann alle gemeinsam verbracht, Weihnachtsfilme geschaut, Kekse gegessen und abends gab es dann ein großes Turkeydinner.

Die letzten Tage und Rückblick

Im Januar verschob sich dann zu meinem Bedauern erstmal die Schulöffnung um eine Woche. Die Coronasituation sah nicht gut aus, aber trotz der steigenden Zahlen öffnete die Schule wieder, wenn auch verspätet. Ich war sehr froh, als der Unterricht wieder begann. Obwohl ich meine Gastfamilie echt lieb gewonnen habe, vermisste ich es, meine anderen Freund*innen zu sehen. Was mir nicht bewusst war, war wie schnell doch die Zeit vergeht, denn meine letzten Tage sind angebrochen.

Zu meinen Highlights gehören auf jeden Fall der Bootsausflug, den ich an meinem zweiten Abend mit meiner Gastfamilie gemacht habe, die Schneewanderung mit einer meiner neuen engsten Freundinnen und die Wanderung mit meinem Outdoor Kurs. Aber auch die kleineren Erlebnisse, wie die unzähligen Ausflüge zu Timmies und zum Strand, Filmabende mit meinen Gastschwestern und mitternächtliches Haare schneiden gehören mit dazu. Man lernt, selbst kleinere Ereignisse viel mehr zu schätzen.

Rückblickend muss ich sagen, dass ins Ausland zu gehen eine meiner besten Entscheidungen war und ich in dieser Zeit über mich hinaus gewachsen bin und mich Sachen getraut habe, die ich vorher nie gemacht hätte. Aber es gab auch immer mal wieder nicht so gute Momente und nicht alles lief immer perfekt. Ich habe direkt am Anfang meinen Koffer verloren und meinen Flug fast verpasst. Auch Heimweh und schlechte Tage sind ganz normal, aber es wird auch wieder besser, man muss nur die Zähne zusammenbeißen und durchhalten.

Letztendlich war es eine unvergessliche Zeit und ich würde jeder*m eine Zeit im Ausland empfehlen, selbst wenn es nur ein paar Wochen sind. Trau Dich!

 

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