Gastfamilie werden – Ein Gastvater im Interview
Warum sollte man Gastfamilie werden? Welche Tipps können zukünftige Gastfamilien beachten? Und was waren Highlights aus der Zeit als Gastfamilie? Diese und weitere Fragen haben wir einem ehemaligen Gastvater gestellt. Seine Antworten findest Du in diesem Beitrag.
Was hat Sie motiviert Gastvater/Gastfamilie zu werden?
Herr Wagener: Ich hatte einen Zeitungsartikel (von Experiment) über ein Mädchen aus Tschechien gesehen, welches noch dringend eine Gastfamilie suchte. Dort war auch ein Bild, welches sie bei Ihrem Hobby Reiten zeigte. Da meine Tochter selbst auch reitet, war mir zuerst das Bild aufgefallen und ich habe den Artikel gelesen. Damit war die Idee bei mir schon eingepflanzt und ich habe es beim nächsten Sonntagsfrühstück in Ruhe mit meiner Familie besprochen. Es stellte sich heraus, dass alle gerne diese Erfahrung machen möchten. Dann war die Entscheidung schnell gefallen. Als wir uns bei Experiment e.V. meldeten, war das Kind leider schon vermittelt, aber wir entschieden uns, ein anderes Kind aufzunehmen. So kam es, dass wir ein halbes Jahr ein Mädchen aus Süditalien bei uns zu Hause aufgenommen hatten. Durch die kompetenten Ansprechpartner*innen fühlten wir uns von Anfang anbei jedem Schritt gut bei Experiment e.V. aufgehoben.
Warum sollte man Ihrer Meinung nach mindestens einmal ein Gastkind bei sich aufnehmen?
Herr Wagener: Erstens ist es ein schönes Gefühl, dass man einem jungen Menschen die Chance gibt, eine solche Erfahrung zu erleben. Aber auch die Möglichkeit für sich selbst und die eigene Familie eine andere Kultur kennenzulernen. Dies fördert auch Werte wie Offenheit, Verständnis und Toleranz auf beiden Seiten. In dieser Zeit hatte man vielfältige Freundschaften aufbauen können. Zum Beispiel habe ich nun nicht nur zu unserem ehemaligen Gastkind weiterhin noch sehr guten Kontakt, sondern auch zu Ihrer Familie und auch zu einer weiteren Gastfamilie hier in Deutschland. Auch hat man die Möglichkeit sich selbst, die Familie, aber auch die Kultur und das Umfeld aus einer anderen Perspektive zu sehen und vielleicht „eingetretene“ Pfade zu hinterfragen.
Wenn Sie auf Ihre Zeit als Gastvater bzw. Gastfamilie schauen, gibt es da einen besonders schönen Moment, den Sie mit Ihrem Gastkind erlebt haben?
Herr Wagener: Das ist nicht leicht zu beantworten, da es sehr viele schöne Momente gab und es mir da nicht leicht fällt, einen Besonderen herauszugreifen. Häufig waren es Alltagssituationen, wo es anfänglich zu kleinen Missverständnissen kam, nach Aufklärung man aber immer wieder darüber lachen musste. Aber auf jeden Fall waren natürlich besondere Momente Weihnachten und Silvester mit einem weiteren Familienmitglied. Jede Familie hat zu diesen Feiertagen ihre eigenen Abläufe und Traditionen, aber wir waren offen für Neues. So haben wir unter anderem im Vorfeld festgelegt, dass jede*r sich einen Essensgang aussuchen durfte, aussuchen, was es gab und auch selbst kochen musste. Es ging turbulent in der Küche zu, aber so ein tolles Festmenü gab es noch nie, ein deutsch-italienisches Weihnachtsmenü. Schöne Augenblicke waren aber auch zu sehen, wie unser Gastkind immer mehr „auftaute“. Wir wuchsen immer mehr zusammen, sodass man zum Schluss von einem wirklichen Familienmitglied sprechen konnte.
Wie hat Sie das Leben mit Ihrem Gastkind bisher (nachhaltig) geprägt?
Herr Wagener: Ich glaube, wir konnten einiges von der Lebenseinstellung der Südeuropäer*innen lernen und haben es ein Stück weit auch in unseren Alltag übernommen. Viele, die schon einmal in Spanien oder Italien Urlaub gemacht haben, werden die Herzlichkeit, Offenheit und auch die generelle Lebenseinstellung festgestellt haben. Man ist nicht lange ein*e Fremde*r… Zum Beispiel wurde ich bei einem Videocall zwischen meinem Gastkind und ihren Eltern dazu geholt, damit ich „Hallo“ sagen kann. Da die Eltern aber auch gerade auf einer Familienfeier waren, wurde das Handy immer weitergereicht und ich konnte Tanten, Onkel, Cousinen usw. ein freundliches „Buongiorno“ wünschen. Mein Gastkind hatte die Übersetzerin gespielt und ich hatte am Ende bestimmt mit 12 Personen gesprochen. Zweitens sollte man mehr das Leben genießen, „fünfe gerade sein lassen“ und dafür reichen auch häufig einfache Mittel aus (ein einfacher Spaziergang mit Sonnenuntergang, ein gutes Essen ohne Zeitdruck…).
Planen Sie Ihr Gastkind (nach ihrem Aufenthalt) in ihrem Heimatland zu besuchen?
Herr Wagener: Ja, tatsächlich wollen wir in diesem Sommer nach Süditalien fliegen, um sie dort zu besuchen. Wir wurden schon von ihren Eltern eingeladen, als sie noch bei uns in Deutschland war. Dort sind wir jetzt schon einmal zu einem klassischen italienischen Sonntagsessen bei ihrer Familie eingeladen. Aber natürlich freut sich unser Gastkind auch ihre Stadt, den Strand und die Orte zu zeigen, von denen sie uns häufig erzählt hatte. Es wird auf jeden Fall ein großartiges Wiedersehen!
Welchen ultimativen Tipp haben Sie für Eltern, die zum ersten Mal ein Gastkind aufnehmen wollen?
Herr Wagener: Die Blaupause zum Umgang mit einem Gastkind gibt es sicherlich nicht. Jedes Gastkind und jede Familie sind anders und ticken unterschiedlich. Aber solange man offen für Neues ist und das Gastkind nicht als Besuch, sondern als Familienmitglied auf Zeit annimmt, dann kann es eine tolle und aufregende Zeit für alle werden. Auch eine offene Kommunikation zwischen allen Beteiligten ist sehr wichtig und es können Missverständnisse direkt ausgeräumt werden.
Haben Sie noch etwas, dass Sie gerne zum Thema Gastfamilie bzw. Gastvater sein hinzufügen möchten?
Herr Wagener: Ich persönlich kann nur sehr positiv über diese Erfahrung berichten. Ich war auch sehr überrascht, wie schnell man jemanden ins Herz schließen kann, sodass beim Abschied auf beiden Seiten die eine oder andere Träne fließen musste. Nächstes Jahr werden wir wieder ein neues Gastkind aufnehmen und ich freue mich schon jetzt auf die neuen Eindrücke und Erfahrungen, über die ich dann berichten kann.
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