Ob eine Wanderung auf dem Tafelberg, Surfen in Muizenberg oder mehrere Wochen im Lockdown. Sophie hat während ihres flexiblen Freiwilligendienst in Südafrika viel erlebt. Neben all diesen Erlebnissen schildert Sophie auch Erfahrungen, die sie in ihrem Projekt an einer Grundschule und in den ersten Wochen vor Ort gesammelt hat.

Sophies Erfahrungen im Freiwilligendienst Südafrika

Die Vorbereitungen auf den Freiwilligendienst

Abitur… und dann? Die letzten Monate war das Abitur alles woran Du denken konntest… Jetzt hast Du es endlich hinter dir! In Zukunft möchtest Du gerne studieren oder eine Ausbildung machen. Aber jetzt direkt nach der Schule wieder lernen? Nein! Immer wieder hörst du Begriffe wie Gap Year, Au Pair oder Freiwilligendienst aber fragst dich, ob das denn auch etwas für Dich ist? Wie organisierst du so etwas? Bist Du dafür nicht schon viel zu spät dran? Ein ganzes Jahr von zuhause weg, ist Dir zu lang?

Erfahrungen im Freiwilligendienst Südafrika

Ähnliche Gedanken gingen mir durch den Kopf als ich nach der Schule verzweifelt nach Ideen für das kommende Jahr gesucht habe. Ich hielt für einige Zeit die Augen und Ohren offen, bis ich glücklicherweise auf Experiment e.V. stieß. Die flexiblen Freiwilligendienste waren wie für mich gemacht und das Beste: Experiment e.V hat seinen Sitz in meiner Heimatstadt Bonn.

Zur Vorbereitung auf ein potenzielles Lehramtsstudium und mit dem Wunsch, einmal den Kontinent Afrika zu bereisen, entschied ich mich dazu, ein Bildungsprojekt in Südafrika zu unterstützen. Da sich deutsche Staatsbürger*innen ohne weiteres für 90 Tage in Südafrika aufhalten dürfen, schien ein Aufenthalt von drei Monaten sehr sinnvoll. Ich musste mich somit erfreulicherweise nicht um ein Visum kümmern, denn solche Anträge können sich bekanntlich eine Weile ziehen. Nach einem Beratungsgespräch ging also alles ziemlich schnell.

Die Finanzierung

Meine letzte Sorge war die Finanzierung. Ich hatte den Sommer nach der Schule zwar viel gearbeitet aber eine Förderung, wie bei Programmen wie „weltwärts“, gibt es bei flexiblen Freiwilligendiensten nicht. Ich bewarb mich also für das von Experiment e.V. angebotene Teilstipendium. Hierzu entwarf ich ein Projekt für meine ehemalige Schule, wodurch ich die Organisation und das Land noch besser kennenlernte.

Ich konnte mein Glück kaum fassen, als ich das Stipendium tatsächlich gewonnen hatte und mich nichts mehr von meinem Weg nach Afrika abbringen konnte. Langsam stieg meine Nervosität. Nach dem Vorbereitungsseminar, wo ich schon einige andere Freiwillige kennenlernen durfte, waren aber alle Zweifel weg und meine offenen Fragen geklärt.

Die ersten Wochen vor Ort

Die Reise beginnt: Ankunft in Südafrika

Noch auf dem Weg zum Flughafen konnte ich nicht ganz realisieren, dass es jetzt wirklich nach Afrika geht. Es war wirklich schön, in nur 12 Stunden von Winter auf Südafrikas heißen Februar zu wechseln. Der Fahrer, der mich vom Flughafen abholte, gab mir einen ersten Einblick in die südafrikanische Kultur. Im Bewusstsein über Südafrikas Probleme aber dennoch Hals über Kopf verliebt in sein Land, teilte er seine halbe Lebensgeschichte mit mir. Er hatte aber ebenso viel Interesse an meiner Heimat. Dadurch hatte ich schon mal die Chance, langsam wieder ins Englischsprechen hereinzukommen und mich an den besonderen südafrikanischen Akzent zu gewöhnen.

Meine Unterkunft und Mitbewohner*innen

Am Volunteerhouse in Zeekoevlei angekommen, konnte ich dann erstmal in Ruhe meine Gastmutter und das Haus kennenlernen. Besonders toll war der Garten mit Blick auf einen See und den Tafelberg. Die anderen Freiwilligen waren noch in ihren Projekten.

Ich brauchte wie erwartet ein paar Tage, um mich an die neue Umgebung zu gewöhnen, aber je offener ich mich auf alles Neue eingelassen habe, desto einfacher war es. Die drei Einführungstage, in denen ich eine Orientierungspräsentation hörte, eine Bustour durch Kapstadt und einen geführten Spaziergang durch die Nachbarschaft machte, waren auf jeden Fall ein gelungener Einstieg.

Meine Mitbewohner*innen waren schon ein paar Monate vor Ort. Ich war darauf eingestellt, dass es schwierig werden könnte, als Neue in diese eingespielte Gruppe einzutreten. Damit lag ich zum Glück total falsch. Ich hatte eine Gruppe super lieber Menschen erwischt und fühlte mich sofort sehr wohl. Sie konnten mir viele tolle Insider Tipps geben und zeigten mir ihre persönlichen Kapstadt-Highlights.

Mit den anderen Freiwilligen aus den Gastfamilien der Umgebung und aus unseren Projekten hatten wir auch viel Kontakt. Für Heimweh hatte ich wider Erwarten während meines gesamten Aufenthaltes wirklich kaum Zeit. In den ersten Wochen merkte ich schon, dass drei Monate Südafrika viel zu wenig sind.

Mein Projekt

Eine meiner Mitbewohnerinnen machte ihren Freiwilligendienst an der gleichen Schule wie ich und konnte mich am ersten Tag allen vorstellen. Nach den Orientierungstagen ging es dann nämlich auch für mich endlich ins Projekt an die Kannemeyer Primary School ( KPS), eine Grundschule in Grassy Park. Ich wurde einer Grade R zugeteilt, vergleichbar mit einer deutschen Vorschule. Die 34 Kinder waren alle um die fünf Jahre alt. Die Klassenlehrerin war noch sehr jung und wir haben uns sofort sehr gut verstanden.

Die ersten Tage konnte ich mich im Unterricht noch nicht viel einbringen, da ich mit dem Unterrichtsstoff, dem Schulsystem und den Kindern noch nicht ausreichend vertraut war. Ich konnte trotzdem helfen, indem ich Unterlagen kopiert oder Elternbriefe formuliert habe.

Zum Ende hin war ich positiv überrascht wie viele wichtige Aufgaben ich übernehmen durfte. Ich konnte meine oder die Nachbarklasse für einige Stunden alleine betreuen und unterrichten. Ich durfte erledigte Aufgaben unterzeichnen, die Schüler testen und zuletzt sogar Teile der Abschlusszeugnisse formulieren.

Da sich meine Arbeitszeiten an den Unterrichtszeiten der Kinder orientierten, hatte ich vergleichsweise kurze Arbeitstage. An manchen Nachmittagen half ich noch der Sekretärin oder besuchte einen Lehrerworkshop, aber in der Regel war ich als Erste zurück im Freiwilligenhaus. Somit konnte ich meine kurze Zeit in Südafrika noch abwechslungsreicher gestalten, indem ich zum Beispiel mit meiner Gastmutter einkaufen ging. Begeistert haben mich außerdem die wöchentlichen Schulversammlungen, bei denen, wie beispielsweise am Valentinstag, viel getanzt und gesungen wurde.

Ich habe wirklich an jedem meiner Tage an der KPS etwas Neues gelernt. Trotz manch anstrengender Tage sind die Kinder mir unglaublich schnell ans Herz gewachsen. Das gilt jedoch nicht ausschließlich für diese Klasse, sondern für die gesamte Schule. Besonders der Einsatz und die Kreativität des Schulleiters und die Herzlichkeit der Lehrer*innen waren sehr inspirierend. Das Bild, wie mir jeden Morgen 34 glückliche Kinder mit dem Ausruf ‘Teacher Sophie’ entgegenrennen und in die Arme fallen, werde ich auf jeden Fall nicht so schnell wieder vergessen.

Das Land

Sicherheit und Fortbewegung

Die hohe Kriminalitätsrate in Südafrika ist ein bekanntes Problem. Zeekoevlei (Standort des Freiwilligenhauses) ist ein ungewöhnlich luxuriöser Teil Kapstadts. Grassy Park (Standort der Schule) hingegen gehört zu den weniger sicheren Orten. Dank der ausgiebigen Vorbereitung von Experiment e.V. bezüglich des eigenen Verhaltens und Auftretens, musste ich in Bezug auf Sicherheit und Kriminalität keine schlechten Erfahrungen machen. Damit war ich aber leider eine der Ausnahmen.

Die Partnerorganisation stellte uns Fahrräder zur Verfügung, ein Transportmittel was ich in Südafrika sonst selten gesehen habe. Auf dem Rad brauchte ich ca. 20 Minuten zur Arbeit, von denen ich etwa die Hälfte durch Grassy Park fuhr. Die Fahrräder waren keineswegs deutschen Standards. Mit langer Hose, 30 Grad und Gegenwind konnte die Fahrt sehr anstrengend werden. Als ich an einem Nachmittag aufgrund eines geplatzten Reifens fast eine Stunde nach Hause laufen musste, schätzte ich die Räder aber schnell wieder wert. In manchen Teilen Grassy Parks wurde mir zu Fuß dann doch ein wenig unwohl, aber genau diese Erfahrungen gehören auch zu der Kultur Südafrikas, die ich so gerne kennenlernen wollte.

Meine Highlight-Erfahrungen im Freiwilligendienst Südafrika

Es gab wirklich keinen Wochenendausflug, der mir nicht gefallen hat, aber persönliche Highlights hatte ich natürlich trotzdem. Ganz oben auf der Liste stehen unter anderem die Wanderung auf den Tafelberg, Surfen in Muizenberg und die Sommerkonzerte im Botanischen Garten Kirstenbosch. Toll waren auch die vielen Essensmärkte wie der Neighbourgoods Market in der Old Biscuit Mill oder der Oranjezicht City Farm Market nahe der Waterfront. Ob zum Sonnenuntergang, Sternenhimmel oder Bräunen, unser Steg mit Sitzecke war definitiv auch ein Highlight. Was das südafrikanische Essen angeht, war ich mehr als begeistert. Ich habe vieles probiert, was ich zuhause nie angerührt hätte. Besonders gut haben mir Roti mit Curry und Reis und Cape Malay Koeksisters geschmeckt. Die Rezepte, die ich notiert habe, während ich mit meiner Gastmutter gekocht habe, waren zweifellos meine besten Mitbringsel.

Als Corona kam…

Als es in Deutschland schon eine Klopapier-Knappheit gab, haben wir in Südafrika noch kaum etwas von dem Virus mitbekommen. Kurze Zeit später erreichte uns dann die traurige Nachricht, dass alle weltwärts-Freiwilligen, also die meisten meiner Mitbewohner*innen, zurück nach Deutschland mussten. Es folgte eine sehr außergewöhnliche und aufregende Woche. Wir nutzten die letzten Tage gemeinsam so gut wie möglich.

Gehen oder bleiben?

Da die Schulen und Kindergärten zügig schließen mussten, hieß es für uns alle dort schon mal Abschied nehmen. Mir als flexible Freiwillige stand es noch zur Wahl, ob ich meine Auslandszeit frühzeitig abbrechen möchte. Nach langer Überlegung und in Absprache mit meinen Eltern, habe ich mich aus verschiedenen Gründen entschieden, vor Ort zu bleiben, bis es ausdrückliche Anweisungen der Regierungen gab.

Im Nachhinein kann ich glücklicherweise sagen, dass diese Entscheidung die richtige für mich war. Es war dennoch ein komisches Gefühl zu beobachten, wie fast alle um mich herum sich darum bemühten, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen, während ich versuchte mich auf den bevorstehenden Lockdown vorzubereiten.

Die letzten drei Freiwilligen aus der Umgebung zogen aus ihren Gastfamilien zu mir ins Freiwilligenhaus. Meine Gastmutter blieb bei uns. Die Wochen im Lockdown waren selbstverständlich ganz anders als ich mir meinen Aufenthalt in Südafrika vorgestellt hatte. Ich musste unter anderem leider auf meine Reise entlang der Gardenroute verzichten.

Dennoch habe ich auch in dieser Zeit wertvolle Erfahrungen gesammelt. Im Haus waren wir zum Glück ausreichend beschäftigt. Wir konnten in der Garage Sport treiben, uns im Garten bräunen oder unserer Gastmutter beim Putzen, Streichen und Kochen helfen. Durch ihre Erzählungen konnte ich auch in dieser Zeit noch vieles  über die Kultur Südafrikas lernen.

Die Rückreise

Unser letztendlicher Weg zurück nach Deutschland war auf jeden Fall einzigartig. Als dann wirklich eine offizielle Rückholaktion für Deutsche in Südafrika eingeführt wurde, dauerte es trotzdem noch eine Weile bis wir uns wirklich auf den Weg machen konnten. Es war vieles anders als geplant, aber Corona hat meine Auslandserfahrung auf jeden Fall besonders gemacht. Wer kann schon von sich behaupten, einen Lockdown in Südafrika mitgemacht zu haben und Teil einer Rückholaktion der Regierung gewesen zu sein? Experiment e.V. und die Partnerorganisation haben spürbar ihr Bestes gegeben, um uns auch in dieser chaotischen Zeit zu unterstützen.

Wieder Zuhause

Zurück in Deutschland habe ich nochmal sehr stark gemerkt, wieviel ich gelernt und wertschätzen gelernt habe. Es war komisch, plötzlich wieder Bus und Bahn zu fahren. In Kapstadt haben wir uns ausschließlich mit ‘Uber’ und ‘ Bolt’ (private Fahrunternehmen) bewegt. Ich war froh, wieder dauerhaft Strom ohne Loadshedding (geplante Stromausfälle), eine Spülmaschine und eine gute Waschmaschine zu haben. Aber es war schön zu wissen, dass es sich eigentlich auch ohne diese Dinge leben lässt. Ich habe verstärkt gespürt, wie unglaublich gut es mir eigentlich geht.

Mein Fazit

Ich könnte ewig über jede einzelne Erfahrung schreiben, die ich in Südafrika gemacht habe. Jeden Tag habe ich etwas Neues gesehen und gelernt und bin daran gewachsen. Ich habe dort das erste Mal in meinem Leben ein Tagebuch geführt. Es war zwar ein bisschen zeitaufwändig, aber im Nachhinein ist es wirklich schön, sich nicht nur Bilder anzuschauen, sondern auch einzelne Gedankenzüge wieder nachvollziehen zu können.

Abgesehen von den Schüler*innen, konnte ich bis heute immer noch Kontakt zu allen halten: darunter die Lehrer*innen der KPS, meine Gastmutter, aber auch die anderen Freiwilligen, die nun wieder in ganz Deutschland verteilt sind. Ich hoffe, ich habe in Zukunft die Möglichkeit, sie alle nochmal wiederzusehen.

Eure Sophie

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