Der Flug war bereits das erste kleine „Abenteuer“, denn es war mein erster Flug alleine. Schon beim Aussteigen aus dem Flugzeug – nach 16 Stunden in der Luft – merkte ich den deutlichen Temperaturunterschied zu Deutschland, wo es zu der Zeit auf die Null-Grad-Grenze zuging. Und da war es erst Frühling, im Sommer hatte es fast immer über 30°C. Bei der Fahrt in die Stadt fielen mir sofort die vielen Menschen auf, die sich auf der Straße unterhielten, Kinder spielten überall, alles war sehr lebendig.

Leider kommt man an der Armut nicht vorbei, die Townships, Obdachlosen und Bettler gehören zum Stadtbild dazu. Aber die Menschen, die ich kennenlernen durfte, sind alle so herzlich und offen, da spielt Herkunft keine Rolle.

Die ersten zweieinhalb Wochen half ich in einem Kindergarten mit: Wir spielten mit den Kindern, tanzten und sangen Lieder, hörten Geschichten. Die Kleinen mussten beim Mittagessen gefüttert werden und ein paar Mal waren wir sogar schwimmen. Es war anstrengend wegen des ständigen Lärmpegels und manchmal war die Verständigung auch nicht ganz einfach, aber die Erzieherinnen waren alle sehr nett und ich hatte viel Spaß bei der Arbeit mit den Kindern. Eine tolle Zeit!

Weil in Südafrika über Weihnachten die langen Sommerferien sind, nahm ich nach dem Kindergarten zwei Wochen lang an einem Wildlife-Projekt in der Nähe von Johannesburg teil. Das war eine unglaubliche Erfahrung, und ich würde es jederzeit wieder machen. Zu unserer Arbeit im Reservat gehörte es, Tiere zu zählen und zu bestimmen, Kameras aufzustellen, Bodenwerte zu messen, Tiere zu orten und vieles mehr. Dabei kam man den Elefanten, Löwen, Zebras, Giraffen, Nashörnern und all den anderen Tieren oft ganz nah und jeder Tag war ein Überraschungspaket.

Nach dem Wildlife-Projekt startete ich mit meiner Mutter von Johannesburg aus eine Rundreise quer durch das ganze Land. Der „Baz Bus“, ein Backpacker-Bus, brachte uns immer sicher und schnell an unsere Unterkünfte. In den Drakensbergen wanderten wir zu einer faszinierenden Bergformation, in Durban verbrachten wir Weihnachten am Strand und die Landschaft der sogenannten „Wild Coast“ war einfach nur schön. Der Tsitsikamma Nationalpark zeigte uns, dass es in Südafrika aber auch einen „Regenwald“ gibt, und in Knysna machten wir eine Bootsfahrt in der Lagune und ich versuchte mich beim Stand-Up-Paddling. Auch Strandtage gehörten dazu, und ein paar Tage hier in Kapstadt und Umgebung bildeten das Ende unserer Reise.

So kam ich dann im Januar wieder zu meiner Gastfamilie zurück, und die Freude des Wiedersehens war auf beiden Seiten groß. Ich hatte das Glück, eine richtig nette Gastfamilie bekommen zu haben – die ganze Familie wohnte in ihrem Haus in Grassy Park, einem Viertel der „Cape Flats“, die zu Kapstadt gehören. Alle waren sehr fürsorglich und sie unternahmen viel. Einmal sind wir zum Beispiel auf den Lion’s Head gewandert und haben dort den Sonnenuntergang angeschaut. Das war definitiv eines meiner Highlights hier!

Aber ich habe nicht nur viel mit meiner Gastfamilie gemacht, sondern auch mit den anderen Freiwilligen. Manche wohnen in Gastfamilien in der Nähe, aber die meisten im Freiwilligenhaus. Alle haben aber unterschiedliche Projekte. Im Kindergarten war außer mir noch eine andere Freiwillige, aber man lernt alle mit der Zeit kennen und es war immer was los. Kapstadt hat wirklich einiges zu bieten, vor allem für junge Leute! Surfen zum Beispiel, aber dazu braucht man Talent … ????

Nach den großen Sommerferien – den Weihnachtsferien – betrat ich Mitte Januar zum ersten Mal die Grundschule in meinem Viertel Grassy Park, die nun zu meinem Alltag werden würde. Glücklicherweise war ich nicht allein: Eine andere Freiwillige fing zeitgleich mit mir dort an. Aber jede Sorge stellte sich als unbegründet heraus, denn die Lehrer empfingen uns sehr herzlich und alle waren froh, dass wir gekommen waren. Es gab nämlich jede Menge zu tun, was mir gleich am Anfang auffiel: Die erste Woche verbrachte ich in „Grade R“, sozusagen einer Vorschulklasse. Das Schulsystem in Südafrika unterscheidet sich allgemein sehr vom deutschen, da die Grundschule bis Klasse 7 geht, darauf folgt die High School.

Ab der zweiten Woche unterstützte ich Lehrerin und Schüler der Klasse 4B, und in der Zeit, die ich mit ihnen verbracht habe, sind mir die Kinder sehr ans Herz gewachsen. Meine Arbeit bestand aus vielen unterschiedlichen Aufgaben wie Plakate gestalten, Tests korrigieren, Arbeitsblätter kopieren, Anwesenheitslisten führen und so weiter. Einmal in der Woche besuchten die Schüler das nahe gelegene „Arts Center“, wo sie zwischen Kunst-, Musik- und Tanzunterricht entscheiden durften. Mit der Aufsicht der Kinder während des Hin- und Zurücklaufens konnte ich den Lehrern eine Aufgabe abnehmen, und auch im Unterrichtsalltag im Klassenzimmer hatte ich das Gefühl, gebraucht zu werden und einen Unterschied machen zu können. Einmal durfte – oder musste – ich einen Tag lang meine Klasse alleine unterrichten. Das war wirklich anstrengend, zumal die Klassen in Südafrika aus etwa 40 Schülern bestehen. Für mich persönlich war dieser Tag aber auch eine wertvolle Erfahrung in Bezug auf meine Berufswahl. Die steht jetzt nämlich fest: Grundschullehrerin! Die Arbeit in der südafrikanischen Grundschule hat mir so viel Spaß gemacht, und ich bin froh, so eine nette und passende Klasse gefunden zu haben. Als es dann Ende März hieß: „Abschied nehmen“, war ich mindestens genauso traurig wie die Schüler. Am letzten Schultag vor den Ferien führte ich noch ein kleines Projekt mit ihnen zum Thema Umweltschutz durch, denn das ist etwas, was in Südafrika noch nicht wirklich angekommen ist. Dann bekam jeder ein kleines Abschiedsgeschenk und mit vielen gemalten Bildern und Briefen der Schüler, Erinnerungsfotos und vor allem guten Erinnerungen im Gepäck sagte ich schweren Herzens „Auf Wiedersehen“.

Mit meiner Gastfamilie verstand ich mich immer sehr gut, auch wenn es oft laut im Haus war und die Gewohnheiten einer muslimischen afrikanischen Familie sich doch etwas von dem unterscheiden, was ich von zu Hause gewohnt bin. Aber ich kann mich in keinster Weise beschweren über die so herzlichen und offenen Menschen, die mittlerweile zu meiner „zweiten Familie“ geworden sind – genauso, wie ich Kapstadt mit einem Lächeln auf den Lippen meine „zweite Heimat“ nennen kann. Das erlebte ich in den letzten Tagen nochmals ganz intensiv, als ich mit ein paar anderen Freiwilligen auf den „Devil’s Peak“ wanderte und von oben auf die Stadt herunterblickte. Mit der Zeit kennt man sich relativ gut aus, ist nicht mehr nur Tourist. Man lernt die Leute und den Lebensstil kennen und lässt sich verändern (hoffentlich zum Guten). Beispielsweise bin ich offener gegenüber Neuem und auch spontaner geworden, habe oft Dinge ausprobiert, an die ich mich zuvor vielleicht nie herangetraut hätte. In den letzten Tagen machte ich zum Beispiel noch einen Paragliding-Sprung über Kapstadt – eine grandiose Erfahrung.

Ja, und dann kam alles irgendwie anders als geplant, denn ebenso wie Deutschland blieb auch Südafrika von der Corona-Pandemie nicht verschont. Zwar sind es bis jetzt noch nicht so viele Infizierte wie hier, doch als die Lage ernster wurde und auch mit Blick auf das bei weitem nicht so gut entwickelte Gesundheitssystem beschloss ich Ende März schweren Herzens, meinen Freiwilligendienst vorzeitig zu beenden. Nachdem zwei Flüge gestrichen worden waren, blieb uns vier verbliebenen Mädchen nichts anderes übrig, als auf die Rückholaktion der Regierung und des Auswärtigen Amtes zu hoffen. Und ich war positiv überrascht von dem Engagement dieser Mitarbeiter, die zur Zeit eine unglaubliche Arbeit leisten, um Menschen wie mich zurück nach Deutschland zu holen. Es stellte sich als sehr schwierig heraus, Rückholflüge im „Lockdown“ – einer absoluten Ausgangssperre, die in Südafrika seit dem 26. März gilt – durchzuführen, und so war auch unsere Reise nach Deutschland ein kleines Abenteuer. Doch am 4. April durfte ich meine Familie nach fünf (statt sechs) Monaten endlich wieder in die Arme schließen und bin froh, wieder zu Hause zu sein.

Meinen Aufenthalt in Kapstadt und den Freiwilligendienst werde ich immer in sehr guter Erinnerung behalten. Keine einzige Sekunde habe ich diese Entscheidung bereut, und ich freue mich schon jetzt darauf, meine Gastfamilie und all die schönen Orte in Südafrika wiederzusehen – denn das Wiedersehen, das gibt es bestimmt!

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