Cordula KleidtExperiment e.V. darf von nun an Cordula Kleidt, Referatsleiterin beim Bundesministerium für Bildung und Forschung, als neues Mitglied in unserem Kuratorium begrüßen. Von 2003 bis 2009 war sie bereits Teil des Vorstandes bei Experiment.

Das Experiment-Kuratorium unterstützt den Verein durch Beratung und Begleitung. Es setzt sich aus Persönlichkeiten verschiedener Bereiche wie Bildung, Wirtschaft und Politik zusammen. Die Mitglieder bringen unterschiedliche Expertisen und Interessen ein. Durch ihre Mitgliedschaft helfen sie bei der Weiterentwicklung unseres Vereins.

Um Cordula Kleidt als neues Kuratoriumsmitglied besser kennenzulernen, haben wir vorab ein Interview mit ihr geführt.

 

Cordula, wir freuen uns sehr, dass Du nun in unserem Kuratorium bist. Erzähl doch mal: Wann bist Du das erste Mal mit Experiment in Kontakt gekommen? Und was verbindet Dich mit dem Verein?

1994 habe ich meine Bewerbung für das Parlamentarische Patenschafts-Programm an Experiment e.V. geschickt. Zu meiner übergroßen Freude erhielt ich das Stipendium. Schon beim Vorbereitungsseminar (VBS) in Bad Bevensen wurde ich vom sogenannten Experiment Bug angesteckt. Als ich zum Canon von Johann Pachelbel meine Erwartungen und Befürchtungen für mein Austauschjahr in Guymon, Oklahoma aufgeschrieben habe, hätte ich mir nicht träumen lassen, 30 Jahre später Kuratorin dieses wunderbaren Vereins zu sein. Über diese ehrenvolle Aufgabe freue ich mich von Herzen. Unser Verein für interkulturelle Verständigung hat mich enorm geprägt. Dafür bin ich zutiefst dankbar.

Nach meiner Rückkehr aus den USA durfte ich gleich Teamerin werden. Ich habe mich für die Ausreise und Einreise engagiert und dabei Freunde fürs Leben gewonnen. Insbesondere die vier Sommer mit 60 amerikanischen PPPler*innen in der Jugendherberge in Tübingen bleiben unvergesslich. Ebenso die Begegnungen mit ganz verschiedenen Gastfamilien.

Eine besondere Erfahrung waren auch die Jahre im Vorstand von Experiment. Für die Vereins-Chronik zum 75. Jubiläum besuchten Bettina Wiedmann und ich das Ehepaar Christiane und Heimbert Wolff. Sie hatten sich seit den 1950er Jahren im geteilten Berlin für den Verein engagiert und unzählige (Elderhostel-)Gruppen betreut. Durch meine jahrelange Begleitung des alten Ehepaars Wolff habe ich erfahren, wie sehr unser Verein ein ganzes Leben prägen kann. Und wie wichtig neben dem Austausch zwischen Kulturen und Religionen auch der zwischen den Generationen ist – so wie es unserer Satzung entspricht.

 

Wenn Du an Deine eigenen Erfahrungen zurückdenkst, was war ein besonders prägendes interkulturelles Erlebnis, das Dich beeindruckt oder nachhaltig beeinflusst hat?

Schon der Besuch in Albatros und die interkulturelle Sensibilisierung beim VBS waren augenöffnend. Anschließend gab es im No Man’s Land County im Buckle of the Bible Belt in Oklahoma allerhand prägende Erfahrungen. Tief beeindruckt hat mich zum Beispiel die Hilfsbereitschaft der US-Amerikaner*innen, als wir mit der High School Band auf dem Weg nach San Antonio einen Busunfall hatten.

Ein Erlebnis, das mich nachhaltig beeinflusst hat, war 2009 bei den Auswahlgesprächen und Vorbereitungstagen mit Jugendlichen aus einer Oberschule in Berlin. Unser Kuratoriumsmitglied Peter Ackermann hatte mit seiner Kreuzberger Kinderstiftung ein Stipendienprogramm für weniger privilegierte Kinder ins Leben gerufen. Damit konnten über mehrere Jahre Berliner Oberschüler*innen als Gruppe mit Experiment nach Irland reisen und in Gastfamilien leben. Mir wurde klar, dass viele bis dahin noch gar nicht ihren Kiez verlassen hatten und der Schritt, ins Ausland zu gehen, für sie deutlich mehr Mut erforderte, aber umso mehr Horizonte und Chancen eröffnete.

Bei unseren Nachbereitungsseminaren heißt es ja immer: „Mit Eurem Austauschjahr habt Ihr erst das erste Kapitel in Eurem eigenen interkulturellen Buch geschrieben und es werden noch viele folgen.“ Und das Gute ist: Für die weiteren Kapitel brauchen wir gar nicht unbedingt zu reisen. Denn egal wo wir sind, gilt es, unseren Mitmenschen aus anderen Kulturen mit Neugierde und offenem Herzen zu begegnen. Und viele der guten alten Experiment-Sprüche begleiten mich dabei noch immer, allen voran: It‘s not good or bad, it’s just different.

 

Du arbeitest im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Welche Rolle spielt für Dich Bildung, auch interkulturelle, im Leben junger Menschen?

Bildung spielt auf jeden Fall eine ganz zentrale Rolle. Im BMBF arbeiten wir dafür, gute Bildung voranzubringen, um Chancen zu eröffnen und Teilhabe zu ermöglichen. Bildungsgerechtigkeit ist nicht nur für jede und jeden Einzelnen essenziell, sondern auch für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserer freiheitlichen Demokratie – gerade in diesen polarisierten Zeiten. Und dabei helfen interkulturelle Kompetenzen sehr. Sie sind der Schlüssel, die globalen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen.

 

Was wünschst Du Dir von Experiment in Deiner Rolle als Kuratorin? Und was darf Experiment sich von Dir erhoffen?

Dass wir einen Unterschied machen. Dabei stehe ich gern mit Rat und Tat zur Seite. Wir können zum friedlichen Miteinander beitragen. Dadurch dass wir den Austausch in den Familien, im weltweiten Zusammenleben fördern. Getreu dem Motto unseres Gründers Donald B. Watt: Learn to live together by living together. Auch die Weiterentwicklung unserer Programme hin zu Schule:Global, bei dem wir Schulen in ihren interkulturellen Aktivitäten unterstützen, geht für mich genau in die richtige Richtung.

Auch möchte ich konkret dazu beitragen, dass wir die Ehemaligen, die zum Beispiel während der fordernden Familiengründungsphase wenig Zeit für ein Ehrenamt haben, für unser Alumni-Netzwerk reaktivieren. Wenn wir die Mittvierziger vereinsseitig gut unterstützen, könnten sie zum Beispiel an den weiterführenden Schulen ihrer Kinder dafür werben, mit Experiment in Ausland zu gehen, Gastfamilien zu gewinnen oder sich im Idealfall wieder stärker in die Vereinsarbeit einzubringen.

 

Experiment ist vor Kurzem 90 Jahre alt geworden und nun fiebern alle auf das 100-jährige Jubiläum hin. Was wünschst Du Dir für den Verein in der Zukunft? Wo soll Experiment 2032 stehen?

Wir haben uns ja zum Ziel gesetzt, die nachhaltigste gemeinnützige Austauschorganisation zu werden und sind auf einem super Weg. Den sollten wir konsequent fortsetzen. 2032 sehe ich uns mit allen Generationen und vor allem auch deutlich diverser als heute unser 100-jähriges Jubiläum feiern. Deshalb wünsche ich mir, dass wir in der kommenden Dekade unserem Anspruch „Austausch für Alle“ noch mehr gerecht werden und dazu auch weitere finanzielle Unterstützer*innen gewinnen. Ich wünsche mir, dass wir weiterhin das Parlamentarische Patenschafts-Programm durchführen können – aber darüber hinaus auch andere Stipendiengeber*innen finden. Expect the Unexpected!

Kennst Du schon Austauschzeit, unseren Podcast aus der Welt? Folge uns außerdem auf Instagram und TikTok, um nichts zu verpassen!