Warum man gerade jetzt Gastfamilie werden sollte
âGastfamilie werden? Inflation beeinträchtigt den SchĂźleraustauschâ â so lautete die Ăberschrift eines Artikels im Tagesspiegel am 29. August 2022. Und tatsächlich ist es so, dass dies fĂźr unsere Branche wohl einer der härtesten Sommer war, den wir alle je mitgemacht haben. Nicht nur in den USA, auch in Deutschland, in Irland, in England, in Spanien, in Skandinavien, in den Niederlanden fehlt es an Gastfamilien, die bereit sind, ein Familienmitglied auf Zeit in die Familie zu integrieren.
Gastfamilie werden: Verunsicherung und ErschĂśpfung mindern Aufnahmebereitschaft
Es dabei wie im Artikel nur auf die Inflation zu schieben, scheint dabei etwas zu einseitig. Auch Haushaltskostenzuschßsse und mÜgliche Stipendien fßr Gastfamilien haben die Aufnahmefreudigkeit nicht wirklich erhÜht. Aus meiner Sicht wird die Sorge vor steigenden Heizkosten und genereller Teuerung durch eine allgemeine Verunsicherung aufgrund der weltpolitischen Lage sowie einem allgemein herrschenden ErschÜpfungszustand nach 2+ Jahren Pandemie ergänzt. Diese Kombination fßhrt bei vielen Menschen dazu, sich zurßckzuziehen und abzugrenzen. Gastfamilie werden, ist nicht unbedingt das erste Thema, ßber das man in diesen Zeiten nachdenkt.
Auch uns als Familie nehme ich da nicht aus. Nachdem wir von März bis Ende Juli Ludmilla und Katja aus der Ukraine bei uns aufgenommen hatten, gerade unser Au-Pair aus Albanien verabschiedet haben und Mitte Oktober ein neues Au-Pair erwarten, waren auch wir zunächst nicht wirklich darauf eingestellt, noch eine AustauschschĂźlerin aufzunehmen. Aber als klar wurde, dass der Tag der Anreise immer näher rĂźckt und auch in Deutschland noch immer zu viele Teilnehmende ohne Familie sind, haben wir es doch getan. Wir haben uns die Liste mit den Profilen der noch nicht vermittelten Jugendlichen angeschaut. Mit dem Ergebnis, dass wir am liebsten alle aufgenommen hätten – Berufsrisiko gewissermaĂen.
Wer selbst einmal in der Situation war, sehnsĂźchtig auf eine Gastfamilie zu warten, weiĂ, wie es sich anfĂźhlt ⌠und welch ein Wechselbad der GefĂźhle es fĂźr die Jugendlichen bedeutet, bis zum Schluss ohne Familie zu sein. Lange Rede, kurzer Sinn: Wir haben uns durchgerungen und beschlossen, zumindest als Willkommensfamilie[1] zur VerfĂźgung zu stehen. Gaia aus einem Dorf in der Nähe von Mailand schien vom Profil her am besten zu uns zu passen. Also haben wir uns kurzerhand fĂźr sie entschieden.
Ein Skype-Call und ein paar E-Mails später war es dann so weit: Es war Sympathie auf den ersten Blick, als wir Gaia am ersten Septemberwochenende am Bahnhof abgeholt haben. Unsere drei TĂśchter, die erst selbst etwas skeptisch waren, ob es jetzt wirklich schon wieder ein neues Familienmitglied auf Zeit sein musste, haben Gaia sofort ins Herz geschlossen. Unsere 12-Jährige spricht auf einmal flieĂend Englisch, um sich mit Gaia ausgiebig unterhalten zu kĂśnnen. Unsere 8-Jährige und unsere 5-Jährige quasseln auf Deutsch auf die Italienerin ein, sodass Gaia sicher bald selbst flieĂend Deutsch sprechen wird. Mein Mann und ich freuen uns, dass wir gemeinsam mit Gaia neue italienische Rezepte ausprobieren kĂśnnen und eine Expertin im Haushalt haben, die uns helfen kann, den nächsten Italienurlaub zu planen. Und irgendwie sind die Kinder auch einfach sehr stolz, eine Italienerin als Gastschwester zu haben, denn Italien ist das neu erklärte Lieblingsland â seit Gaia da ist.
Zeichen der Hoffnung in unsicheren Zeiten
Abgrenzung ist gut, Selbstfßrsorge und Rßckbesinnung auf das Wesentliche auch. Aber manchmal muss man einfach den Sprung ins kalte Wasser wagen und die Komfortzone verlassen. Ja, die Zeit ist momentan nicht leicht und auch ich bin erschÜpft. Und natßrlich muss man Zeit investieren, um das neue Familienmitglied in die Familie zu integrieren, mit den eigenen Gewohnheiten bekannt zu machen und das Ankommen in der Schule zu erleichtern. Gleichzeitig bekommt man als Gastfamilie unglaublich viel zurßck. Alle Familienmitglieder inklusive Gastkind machen wertvolle Erfahrungen. Gerade in Zeiten wie diesen macht es Hoffnung zu sehen, wie offen die jungen Menschen aufeinander zugehen. Sie sind bereit, Zugeständnisse zu machen und Kompromisse einzugehen und empfinden das Neue und Andere als Bereicherung.
Wir ßberlegen alle bereits, wie wir die Zimmer so aufteilen kÜnnen, dass Gaia bei uns bleiben kann (wenn sie mÜchte), auch wenn das neue Au-Pair kommt⌠Und ich bin mir ziemlich sicher, wir finden eine LÜsung.
Falls auch Ihr Interesse habt, Gastfamilie zu werden: Experiment sucht immer Gastfamilien und Ihr kĂśnnt Euch jederzeit bei uns melden.
[1] Eine Willkommensfamilie nimmt fĂźr zwei bis drei Monate auf, um so den Teilnehmenden zu ermĂśglichen, mit der gesamten Gruppe einzureisen und den Austausch zu beginnen, bis eine permanente Familie gefunden ist.
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