Clémentines Weg von Frankreich nach Deutschland
Zur Feier des 60.-jährigen Bestehens des Élysée-Vertrags starten wir eine Blog-Reihe mit Frankreich-Geschichten von Experimenter*innen oder Wissenswertes rund um unser Nachbarland Frankreich.
Dieses Mal sprechen wir mit Clémentine Senicourt, Senior Programm-Managerin im Team Schulbesuch in Deutschland. Clémentine arbeitet seit drei Jahren bei Experiment und ist vor 14 Jahren aus Frankreich nach Deutschland gezogen. Wir sprechen über die Gründe für ihren Umzug, Überraschungen in Deutschland und Vorurteile.
Wie war Dein Leben, bevor Du nach Deutschland gekommen bist?
Ich war in der Schule, und dann habe ich Abi gemacht und habe ein Jahr Übersetzung studiert in Paris. Das hat mir aber nicht gefallen, und dann habe ich entschieden nach Deutschland zu ziehen und dort zu studieren.
Hast Du Dich darauf gefreut, in Deutschland zu studieren oder hattest Du eher gemischte Gefühle?
Nein, ich habe mich gefreut und es ging auch alles sehr schnell. Ich war noch bis Juni in Frankreich in der Fachhochschule und dann ging es im September los. Das heißt, ich hatte sehr wenig Zeit, um mir Gedanken zu machen.
Wie ist es denn dazu gekommen, dass Du letztendlich in Deutschland geblieben bist?
Ich habe mich richtig wohlgefühlt. Ich habe erstmal in Heidelberg studiert, vier Jahre lang, und dann bin ich nach Köln gezogen. Ich habe mich sehr heimisch gefühlt und habe hier Anschluss gefunden und einen Job. Ich überlege trotzdem jedes Jahr, zurück nach Frankreich zu ziehen, aber habe es bisher noch nie gemacht, weil ich mich hier einfach wohlfühle.
Was würdest Du sagen, sind die größten Unterschiede zu Frankreich?
Vielleicht, dass man bei einer roten Ampel stehen bleiben muss? Ich glaube, nach so einer langen Zeit fällt es mir schwer, den Unterschied zu sehen.
Allerdings fällt mir ein, dass es in Deutschland üblich ist, Abendbrot zu essen. In Frankreich isst man nicht nur mittags, sondern auch abends warm. Das kannte ich nicht, dass man abends kalt ist, und ich tue es immer noch nicht. Außerdem frühstückt man in Frankreich ohne einen Teller, das Brot wird einfach direkt auf den Tisch gelegt.
An Deutschland finde ich toll, dass die öffentlichen Verkehrsmittel so gut ausgebaut sind und dass die Deutschen auch mehr auf die Umwelt achten als die Franzosen. Frankreich und Deutschland haben aber auch viel gemeinsam.
Was haben Frankreich und Deutschland gemeinsam?
Ich glaube, wir sind alle sehr freiheitsliebend und es gibt viele Werte, die Frankreich und Deutschland gemeinsam haben: Das Bestreben nach Frieden, Gleichberechtigung und die Bedeutung von Bildung.
Was hat Dich denn dann in Deutschland besonders überrascht, außer dass man morgens mit einem Teller frühstückt?
Spontan fällt mir eine Sache ein. Überrascht hat mich, dass die Frauen beispielsweise in der Schwimmbaddusche nackt sind. Das macht man in Frankreich nicht. Außerdem ist es in Frankreich üblich, dass man eine Wohnung kauft. Es ist ein Ziel von jungen Französ*innen, eine eigene Wohnung zu besitzen, statt zur Miete wohnen.
Besuchst Du denn Deine alte Heimat noch?
Ja klar. Ich bin ungefähr zwei bis drei Monate pro Jahr in Frankreich. Ich fühle mich in beiden Kulturen sehr heimisch.
Was fehlt Dir denn in Deutschland?
Mein Lieblingsschokolade und meine Familie fehlen mir sehr.
Welche Vorurteile hat man in Frankreich gegenüber Deutschland?
Also einerseits, dass die Deutschen sehr pünktlich und diszipliniert sind. Zum anderen, dass die Deutsche Qualität, also Dinge, die in Deutschland produziert werden, besonders gut sind.
Aber ich glaube, dass die Französ*innen gar nicht so viel über Deutschland wissen, wie die Deutschen über Frankreich. Frankreich ist bei den Deutschen ein sehr beliebtes Urlaubsland, aufgrund der schönen Strände und Städte. Ich kenne nur wenige Deutsche, die noch nie in Frankreich waren. Hingegen kenne ich nur wenige Franzosen, die Deutschland bereist haben.
Ich denke, einige regionale Unterschiede und lokale Besonderheiten sind noch ziemlich unbekannt. Auch ich versuche, meine Familie zu motivieren, oft nach Deutschland zu kommen. Mittlerweile kennen sie Deutschland richtig gut.
Danke für das Interview, Clémentine!
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