Ende des Jahres 2023 ist eines unserer langjährigen Programme ausgelaufen: Der sogenannte “Familienaufenthalt für internationale Studierende” (kurz „FiS“), den wir seit 1960 zunächst gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt, seit 2021 dann mit dem DAAD durchgeführt haben. Der DAAD stellt uns nun keine
Mittel mehr zur Verfügung, und ohne externe Gelder ist das Programm leider nicht umzusetzen. In den insgesamt 63 Programmjahren haben jedes Jahr viele Studierende an dem Gastfamilienaufenthalt teilnehmen können und einen Einblick in die Kultur unseres Landes bekommen. Die vielen positiven
Rückmeldungen seitens der Studierenden und der Gastfamilien haben uns gezeigt, wie wichtig das Programm für Experiment, für die Umsetzung unseres Satzungszwecks und für unsere Gesellschaft ist. In den letzten Jahren wurden jährlich ca. 160 Studierende in Gastfamilien vermittelt.

Eine Gastmutter, die in den letzten Jahren zahlreiche FiS-Studentinnen aufgenommen hat, berichtet uns in diesem Beitrag von ihren eigenen Erfahrungen mit dem FiS-Programm:

Wie und was soll man von acht Jahren und Besuch von 10 ausländischen Studentinnen, die in Deutschland studierten, berichten, die zwischen 8 -14 Tagen bei mir lebten und den deutschen Alltag, das Leben bzw. deutsche Traditionen kennenlernen wollten? Hier habe ich nun eine Auswahl getroffen. Eigentlich wollten die Studentinnen in eine Gastfamilie, das konnte ich nicht bieten, ich lebe alleine, habe aber viele Freund*innen, meine Tochter, mein Patenkind, meine Schwester mit Kindern und mein Bruder, die sich dann der Studentinnen gerne annahmen.

FiSDie erste FiS Gaststudentin Ana Paula & eigene Kochkurse

Es boten sich erstmals die Karnevalstage und die Tage vor Ostern an, zu der Zeit arbeitete ich noch, aber da hatte ich viele Tage frei. 2015 begann ich mit der Aufnahme einer ausländischen Studentin aus dem FAS Programm [früheres FiS Programm] von Experiment.

Ana Paula, aus Brasilien, mit der ich die Karnevalstage verbrachte, sollte einmal Kartoffeln schälen, weil ich mit ihr zusammen kochen wollte. Sie saß mit dem Messer vor den Kartoffeln, guckte mich an und sagte:“ Ich kann das nicht!“, mein Kommentar dazu war nur: “Dann lernst du es eben jetzt!“

Ich bin keine besonders gute Köchin und koche auch nicht so gerne, aber die Studentinnen, die nicht kochen konnten, wussten nach ihrem Besuch bei mir wenigstens, wie man Kartoffeln, Nudeln oder Reis kocht.

Alle Studentinnen lernten ja Deutsch, auch, wenn sie nicht Deutsch studierten, sollten sie es lernen, abends habe ich dann viel mit ihnen gespielt,

z.B. Memory mit Alltagsgegenständen, Tieren, Pflanzen usw., da konnten sie die Wörter und ganz wichtig, die Artikel, lernen.

Ashlee aus Jamaika & Ausflugsziele

Ashlee aus Jamaika war ein Sonnenschein, immer ein Lächeln im Gesicht, sehr fröhlich, sehr gewinnend. Es hat viel Spaß mit ihr gemacht. Sie war auch vor Ostern hier und wir haben natürlich auch Eier gefärbt.

Ausflüge kamen nicht zu kurz wie das Deutsche Eck oder Maria Laach. Auch hier, vor Ort, waren wir in den Städten und in den Weinbergen unterwegs. Ab und zu begleitete uns meine Tochter oder sie nahm Ashlee zu Freundinnen oder Spieleabenden mit Gleichaltrigen mit.

Mit manchen Studentinnen fuhr ich zur Ahrquelle nach Blankenheim, Bad Münstereifel und zur Wasserburg Satzvey, mit anderen zur Marksburg, Rüdesheim und die Seilbahn zum Niederwalddenkmal, sowie Trier durften auch nicht fehlen.

Ins Bonner Theater habe ich auch alle Studentinnen geschleppt, möglichst in ein Ballett oder ein Musical, da brauchten sie nicht so viel Deutsch zu können. Ich fand es wichtig, dass die Mädels auch etwas Kultur mitbekamen.

Momoka aus Japan & neue Herausforderungen

Momoka aus Japan war die erste schwierigere Studentin, ihr schmeckte nichts, irgendwie kamen wir auch nicht so gut miteinander zurecht. Unsere Betreuerin, Frau Gudrun Eder-Sievers von Experiment, holte sie dann schon mal und fuhr mit ihr ins Museum. Auch andere Freund*innen von mir unternahmen etwas mit ihr, wenn ich arbeiten musste.

Momoka war zu Karneval da, der Vorsitzende meines Chores wurde Karnevalsprinz in Heimersheim. Dadurch gingen wir im Karnevalszug als Zwerge mit, die Kostüme hatte ich besorgt und Momoka hatte sichtlich Spaß „Kamelle“ zu werfen und „Alaaf!“ zu brüllen.

Karneval 2020 war ich noch verreist, daher konnte ich keine Studentin aufnehmen. Dann kam die Pandemie.“ Rien ne va plus.“ Da ging erstmal gar nichts. Das Zusammentreffen vieler Menschen wurde beschränkt, die Corona-Tests und Impfungen folgten.

Im Juli 2021 brach dann das Unglück über uns herein. Die Ahr trat aus ihrem Flussbett und überflutete das gesamte Ahrtal, das ist sicher bekannt. Da ich im 3.Stock wohne, war ich nicht betroffen, nur mein Keller. Viele Erinnerungen, Weihnachtsdekoration u. ä. verschwanden durch die Flut.

Neue Gaststudentin trotz Flut: Yuxuan aus China

Trotzdem wollte ich über Weihnachten eine Studentin aufnehmen, ich teilte das Experiment e.V., Frau Petra Spira, zuständig für die Vermittlung der ausländischen Student*innen, mit.

Die Städte Bad Neuenahr und Ahrweiler waren ja ziemlich zerstört, da meine Wohnung aber nicht zerstört war, meinte Frau Spira, dass ein Mädel kommen könnte, wenn sie das dann wollte.

Und tatsächlich, Yuxuan aus China wollte, trotz Flut bzw. zerstörter Stadt, kommen. Sie hatte das letzte Weihnachten schon allein in Deutschland wegen der Pandemie verbracht, das wollte sie nicht nochmal erleben. Und sie kannte Überflutungen aus China. Ich habe mich jedenfalls gefreut. Inzwischen hatte auch meine Rentendasein begonnen.

Mit Yuxuan habe ich dann sämtliche traditionelle Weihnachtsbräuche wieder aufleben lassen. Wir haben den Tannenbaum geschmückt, neue Weihnachtsdekoration bekam ich aus Spenden. Vorher haben wir noch Spritzgebäck gebacken. Bei der Vorbereitung kam mein Patenkind dazu und half mit, damit Yuxuan auch mal Kontakt zu einer Gleichaltrigen bekam. Sie benutzten dazu den Fleischwolf, das kannten die Mädels gar nicht, aber es machte ihnen Spaß.

Zwischendurch mussten Yuxuan und ich immer mal wieder zum Testen, gerade, wenn wir mit vielen Menschen wie z. B. im Theater zusammen waren, Corona war noch nicht vorbei.

Dies Weihnachten wollte meine Tochter mit Freund Heiligabend und den ersten Weihnachtstag mit uns verbringen. Yuxuan lernte dann Heiligabend einen deutschen Kaffeetisch zu decken, da unser Besuch dann zum Kaffee, Bescherung und Wichteln kommen wollten. Ich hatte vorher mit Yuxuan abgesprochen, dass es nur Kleinigkeiten geben sollte. Also zogen wir unser Programm durch.

Danach machten wir noch einen Spaziergang zum Kurpark, es war strahlender Sonnenschein und relativ warm an Heiligabend und wir mussten ja auch mal an die frische Luft.  Als meine Tochter Yuxuan fragte, ob sie schon im Kurpark gewesen wäre, meinte diese nur: „Fast täglich!“ Wo sollten wir auch sonst hin?

Alles war im Wiederaufbau, aber den Kurpark hatten sie relativ schnell wieder in Ordnung gebracht und es wurde ein Treffpunkt für viele Flutbetroffene. Damals gab es dort noch eine Essensausgabe, Waschmaschinen und Trockner, Spielecke für die Kinder, Bücherecke, also ein Aufenthaltsort für alle, auch für mich. Yuxuan hat also miterlebt, wie es uns hier so nach der Flut ergangen ist. Das Kurpark Café wurde dann wieder kommerziell betrieben, ist aber bis heute Treffpunkt für viele Menschen geblieben.

Da Yuxuan weiter in Mannheim studiert, sind wir auch noch in Kontakt, sie war auch bereits zu einem Weinfest noch einmal hier.

Xue aus China und das Spritzgebäck

Xue aus China war die nächste Studentin, wieder zu Weihnachten. Traditionelles Brauchtum war angesagt.

Spritzgebäck haben wir beide zusammen gemacht, mein Patenkind konnte nicht. Irgendwie wollte es aber gar nicht mit dem Teig klappen, es war so trocken, ließ sich nicht durch den Fleischwolf drehen. Nach dem ersten Blech fiel es mir auf, wir hatten viel zu viel Mehl genommen, versehentlich die doppelte Menge. Wir mussten alle anderen Zutaten verdoppeln, dann ging es. Wir haben viel darüber gelacht, allerdings mussten wir auch 3 ½ Stunden backen, die Mengen von Spritzgebäck haben wir dann an Freund*innen verschenkt.

Xue studiert noch in Erlangen, sie war zwischenzeitlich einmal hier und ich in Erlangen, da mein Bruder dort wohnt.

Die letzte Gaststudentin aus dem FiS-Programm: Yi-An aus Taiwan

Last but not least kam nun als letzte Studentin dieses Programms Yi-An aus Taiwan Weihnachten 2023, auch mit ihr habe ich die deutschen Weihnachtsbräuche gepflegt.

Wir besuchten das Theater in Bonn und das Weihnachtskrippenspiel von der ev. Kirche. Allerdings kannte sie schon viel, da sie in Münster Deutsch studiert und die Lehrerin auch die gesamten deutschen Traditionen zeigt.

Neue Erfahrungen dank FiS Programm

Ich habe viel über die einzelnen Länder von meinem Gästinnen erfahren, besonders natürlich über China.

Xing Su berichtete von ihrem Studierendenzimmer an ihrer Uni, sie musste sich ein Zimmer mit 3 Mädchen teilen, aber es war keine Seltenheit, dass es auch große Zimmer gab, das sich dann 12 Mädchen teilen mussten.

Yiyi und Siyuan bedauerten, dass sie zurück nach China mussten. Für sie war die freie Zeit, die sie hier in Deutschland verbringen durften, das Beste an ihrem Aufenthalt hier. Ihnen war klar, dass sie in ein restriktives Leben in China zurückkehren würden.

Mit Yuxuan stellten wir fest, dass das chinesische Frühlingsfest gar nicht so weit entfernt von unserem Weihnachtsfest ist, da sich dann auch alle Familien und Freund*innen sammeln, essen und zusammen feiern, Geschenke gibt es für die Kinder, aber eher Geld in roten Umschlägen.

Der religiöse Hintergrund entfällt natürlich bei den Chines*innen, allerdings wissen ja auch viele heute bei uns nicht mehr, warum wir eigentlich Weihnachten feiern.

Fazit zum FiS-Programm

Nun ist eine Ära zu Ende gegangen, durch Beendigung des FiS Programms von Experiment e. V. ist es nun auch für mich beendet.

Ich habe es gerne gemacht. Den jungen Menschen meine Heimat, die schöne Gegend zu zeigen, die Historie, die Kultur und ihnen letztlich das Brauchtum in Deutschland näher zu bringen, das habe ich als meinen Auftrag gesehen. Ich hoffe, die eine oder andere erinnert sich später gerne an ihre Zeit in Deutschland und den Aufenthalt bei mir.

 

Elisabeth D., März 2024

 

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